naivitaeten

Top-Down vs. Bottom-Up

Freitag, März 31, 2006

willentlich

In die Feindseligkeit hinein und durch den Zigarettennebel hindurch sagte Nadan im gebügelten Schlafanzug dann diesen Satz:
- Ich weiß nicht, warum ich immer mit dir schlafen will, das Letzte auf der Welt, was ich will, ist nämlich, mit dir schlafen zu wollen.
Danach sagte sie: Ich schlage vor, du tust erstmal, was du willst, und danach können wir metaphysisch werden. In dieser Reihenfolge. Die Prozedur ist so alt wie die Welt.
Und jetzt sagte Nadan: Ich tu nur, was ich auch wollen will.

(Birgit Vanderbeke // Alberta empfängt einen Liebhaber)

Dienstag, März 21, 2006

Das Mondschaf

Das Mondschaf steht auf weiter Flur.
Es harrt und harrt der großen Schur.
Das Mondschaf.

Das Mondschaf rupft sich einen Halm
und geht dann heim auf seine Alm.
Das Mondschaf.

Das Mondschaf spricht zu sich im Traum:
"Ich bin des Weltalls dunkler Raum."
Das Mondschaf.

Das Mondschaf liegt am Morgen tot.
Sein Leib ist weiß, die Sonn ist rot.
Das Mondschaf.


Christian Morgenstern

Montag, März 06, 2006

Flucht ins Zurück

Zärtlichkeit wird in dem Augenblick geboren, da der Mensch auf die Schwelle zum Erwachsensein gespuckt wird und sich bange der Vorteile der Kindheit bewusst wird, für die ihm als Kind das Verständnis fehlte.
Zärtlichkeit ist das Erschrecken vor dem Erwachsenenalter.
Zärtlichkeit ist der Versuch, einen künstlichen Raum zu schaffen, in dem das Abkommen gilt, dass wir uns dem anderen wie einem Kind zuwenden wollen.
Zärtlichkeit ist auch das Erschrecken vor den körperlichen Folgen der Liebe; es ist der Versuch, die Liebe aus dem Reich des Erwachsenseins (in dem sie verbindlich und verfänglich ist, voller Verantwortung und Körper) zu entführen und die Frau als Kind zu betrachten.

Ganz sacht pochte das Herz ihrer Zunge.


(Milan Kundera // Das Leben ist anderswo)